Wie Psychologie Crashs verhindert

Verehrter Mitdenker,

nun ist es passiert. Wie schon seit einiger Zeit erwartet haben sich Technologieaktien im Juli in eine Korrekturphase bewegt. Kursverluste im zweistelligen Bereich sind in der Riege der Mega-Caps zu verzeichnen, in den USA wie auch in Europa. Man fragt sich zurecht: „War das schon alles?“ oder „Rutscht jetzt noch der gesamte Markt in einen Crash?“ Jeder weiß, dass nun bis Herbst die schwache Saisonalität an der Börse vor uns liegt. Die US-Wahlen stehen an und die Kriegssituation in Nahost könnte eskalieren. Da sollte man doch eigentlich eher vorsichtig sein, oder? Neben anderen Dingen beobachten wir derzeit einen technischen Indikator, der bereits in der Vergangenheit immer wieder hilfreiche Impulse gegeben hat. Hier nähern wir uns einer kritischen Zone an. Doch ein anderer Faktor ist aus unserer Sicht viel wichtiger. Dieser entscheidet, ob es zu einer (in Teilen fortgesetzten) Marktkorrektur kommt oder nicht und ob diese gegebenenfalls sogar eine sehr gute Kaufchance eröffnet.

Zu den eher mittelfristig auszulegenden technischen Börsenindikatoren zählt der sogenannte ADX (Average Directional Movement Index). Dieser ist nicht in die Gruppe der prozyklischen Trendfolger oder antizyklischen Oszillatoren einzuordnen, da er auf eine andere Fragestellung abzielt. Der ADX berechnet die Stärke des Auf- oder Abwärtstrends eines Wertpapiers oder Börsenindexes. Das Spezielle: Ein hoher Wert bedeutet, dass der Trend nach oben ODER unten stark ist, ein geringer Wert zeugt von nachlassender Kursdynamik im vorherrschenden Trend. Wie interpretiert man den ADX? In Chart 1 ist die Kursentwicklung des deutschen Aktienleitindexes DAX (hier über einen erwerbbaren ETF) dargestellt, zusammen mit dem darauf berechneten ADX. Dieser schwankt historisch gesehen überwiegend zwischen 10-40 Punkten.

Chart 1: DAX und ADX seit 2014
Quelle: Eigene Erstellung, Morningstar (iShares Index ETFs); Zeitraum Juli 2014 – Juli 2024
Frühere Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen

Kurz gesagt: Werte über 25 sprechen von einem klaren Trend, Werte unter 25 von einer eher trendlosen Phase. Der ADX ist ein nachlaufender Indikator. Viele technische Analysten schauen auf die Steigung des ADX. Im Fall des DAX lohnt aber der Blick auf die Extremwerte oben und insbesondere unten.

Interessant ist zunächst, dass der ADX mit dem Corona-Crash in kürzester Zeit fast an den historischen Rekordwert für fallende Märkte nach Platzen der TMT-Blase 2001 herankam. Viel interessanter ist aber, dass die zuletzt von der KI-Fantasie getriebene Börsenhausse Anfang des Jahres einen historischen Höchststand für steigende Märkte gesetzt hat (grüner Kreis). Noch nie stieg der deutsche Aktienmarkt stärker! Und dabei hat er mit SAP eigentlich nur einen (mit 13 % hochgewichteten) Mega-Cap-Wert aus dem Technologiebereich im Leitindex.

Nichtsdestotrotz steht damit aber implizit die Frage im Raum, ob sich dieser Rekord nicht mit fallenden Kursen rächt. Hier kommt jetzt das andere Extrem niedriger ADX-Werte ins Spiel. Die Vergangenheit zeigt, dass Werte unter 10 – also zunehmende Trendschwäche – nach Aufwärtstrends häufig mit größeren Trendwechseln bzw. anstehenden Marktkorrekturen im Aufwärtstrend einhergehen (siehe rote Kreise im Chart). Ist eine Marktkorrektur also fast schon ein Selbstgänger, wenn wir wie aktuell an der 10er-Marke kratzen?

Fakt ist, dass dieser Index - wie manche andere technischen Indikatoren auch – bekannt ist. Was wir sehen, sehen andere auch. Und jetzt kommt die Börsenpsychologie ins Spiel.

Unser hauseigener Sentimentindikator, den wir auch im Rahmen unseres Dividende & Sentimentfonds einsetzen, signalisiert bereits seit Ende 2022 alles andere als Euphorie bei europäischen Anlegern (fehlende Positionierungsspitzen im roten Bereich des Charts unten).

Chart 2: Sentiment Score des D&S
Quelle: Eigene Erstellung, Morningstar (iShares Index ETFs); Zeitraum Dez. 2021 – Juli 2024
Frühere Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen

Stattdessen haben die vielen Sorgen um Kriege und Rezession, Zinsen und Inflation, Europa- und US-Wahlen jeden Anflug von Optimismus immer wieder schnell eingedämmt. Im Gegenteil ergaben sich hier heraus vermehrt antizyklische Kaufsignale (siehe im grünen Bereich des Sentiment Scores). Alle waren richtig, auch wenn es aus Risikogründen nicht zu vollen 100 %-Signalen reichte. Die unglaubliche Zuspitzung der Marktperformance auf nur wenige 3-4 Technologieaktien war hierbei eine spezielle Herausforderung.

Diese Grundskepsis der Anleger besteht auch heute noch fort. Sentimenttechnisch sind derzeit noch alle Ingredienzien für weiter steigende Aktienkurse gegeben – die hier schon mehrfach zitierte Wall of Worry wird seit 1 ½ Jahren immer wieder erklommen. Fairerweise muss man sagen, dass dies für den US-Aktienmarkt so nicht gilt. Hier war die Stimmung – insbesondere bei Technologie- und Momentumaktien – bis vor Kurzem hervorragend. Aber gerade diese Werte haben wie gesagt zuletzt auch schon wieder deutlich verloren.

Fazit: Kritisch würde es aus unserer Sicht, wenn ein unter 10 Punkte fallender ADX mit deutlich steigendem Optimismus in einem steigenden, aber insbesondere auch fallenden Markt einherginge. Dies gilt es bis auf Weiteres zu beobachten.

Es gibt aber keine 100 % Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur oder sogar einen strategischen Trendwechsel. Der Markt kann sich auch seitwärts aus dieser Situation heraus lavieren. Und im schlechten Fall einer Korrektur interessante Kaufchancen aufweisen. Dies gilt aus unserer Sicht partiell schon für Dividendenaktien.

Always expect the unexpected!

Ihr Mathias Werner