2025 - Das Jahr der Dividende
Verehrter Mitdenker,
2024 nähert sich seinem Ende zu und wie jedes Jahr um diese Zeit melden sich die Auguren mit Börsenprognosen zum nächsten Jahr. So vielfältig die Meinungen in der Regel auch sind, skizzieren sie im Durchschnitt doch häufig ähnliche Trends. Was wiederum antizyklisch denkende Beobachter wie mich auf den Plan ruft, darüber nachzudenken, warum diese nicht eintreten werden. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass dem so sein wird, ist überdurchschnittlich hoch. Jahrzehntelange Erfahrungen bestätigen dies. Selbst wenn man z.B. die ganze Spannbreite der DAX-Prognosen für das Folgejahr zugrundelegt, ist die Wahrscheinlichkeit statistisch gesehen deutlich höher, am Jahresende außerhalb dieser Range zu landen – so breit sie auch sein mag. Dann muss man „nur noch“ analysieren, was für darüber oder darunter spricht. Hierbei hilft es, dominante Trends des noch laufenden Jahres zu identifizieren und diese daraufhin abzuklopfen, ob der Jahreswechsel nicht eine Wende bereithält. Wie sieht es diesbezüglich dieses Jahr aus?
2024 wurde von vielen Anlegern schon anfangs skeptisch beurteilt. Losgelöst von den Standardprognosen der Bankenanalysten haben wir dies nicht nur in unseren Sentiment- und Positionierungsdaten wahrgenommen. Es traten verstärkt auch Aktiencrash-Gurus auf, die nach den deutlichen Zinsanhebungen der Notenbanken in Regionen bis 4-5 % einen erheblichen Geldabfluss aus den Aktienmärkten in den Zinsbereich prognostizierten. Mithin also starke Aktienmarktkorrekturen und kräftig steigende Anleihekurse.
Diese Erwartungshaltung hatte ich seinerzeit kritisch hinterfragt, denn die uns vorliegenden Positionierungsdaten machten deutlich, dass der Großteil dieser Bewegungen bereits erfolgt war. Anleihebestände hatten schon wieder jahrzehntealte Rekordhochs erklommen. Und tatsächlich: Bisher konnten die Anleihen seitdem noch wenig Boden gut machen. Und auch der Aktienmarkt fiel nicht. Der europäische Leitaktienindex z.B. erlebte ab Mitte Januar z.B. sogar einen kurzen Zuckerrausch und markierte neue Allzeithochs, bevor er dann in eine monatelange Seitwärtsphase einschwenkte (s. Chart 1):
Dass hier allerdings doch nicht alles so kräftig zweistellig ansprang wie der Leitindex, lässt sich beispielhaft am MSCI EMU High Dividend Index (rote Linie im Chart) erahnen, der bis vor Kurzem „nur“ ein überschaubares Plus von 3,5 % erzielt hat.
Tatsächlich spiegelt die Differenz zum Leitindex nur ungenügend einen Sachverhalt wider, der in dieser Rallye extrem ungewöhnliche Züge entwickelte. Wir haben dies ansatzweise zwar schon 2021 erlebt, aber nicht in der Härte, wie es in diesem Jahr vorgekommen ist. Denn die gesamte Aufwärtsentwicklung des europäischen Leitindexes basierte phasenweise fast nur auf drei Technologieaktien (ASML, SAP, Schneider Electrics) plus - außerhalb des Euroraums - noch Novo Nordisk.
Dies war quasi „copy & paste“ der US-Börsen, die - wie hinlänglich bekannt - immer wieder nur von den sieben großen Megatechnologieaktien („die „Glorreichen Sieben“) nach oben gezogen wurden.
Das Problem: Gibt es hier Korrekturen, die auch sehr gerne mal bis Richtung -50 % gehen, rauschen die Märkte nur wegen dieser wenigen Titel nach unten ab. ASML und Novo Nordisk sind diesen Weg zuletzt bereits gegangen. Auch deshalb hat sich der europäische Aktienmarkt seit Frühjahr eher im Seitwärtsmodus bewegt.
Aktuell haben wir im EStoxx50 und im DAX noch die krude Situation, dass nur eine (!) Aktie für 50-60 % der gesamten Jahresperformance dieser Indizes verantwortlich ist. Raten Sie, welche.
Was hat das alles mit Dividendenaktien und -indizes für 2025 zu tun?
Zunächst: Im Dividendensegment findet man üblicherweise kaum Technologieaktien, da diese in aller Regel sehr geringe bis keine Dividenden zahlen. Daher sind Aktien mit hoher Ausschüttung ideale Gegenspieler zu Tech-Titeln. Insbesondere wenn ihr Börsenkurs deutlich günstigere Bewertungen als die der überteuerten Tech-Werte signalisiert.
Ganz grundsätzlich gehören beide Aktienkategorien in ein gutes strategisches Anlageportfolio. Die oben gezeigte Art von Indexschieflagen durch wenige Technologietitel tragen aber eben den Keim von stärkeren Trendwenden in sich, bevorzugt gerne zum Jahreswechsel.
Denn hier wird zum einen das alte Jahr abgeschlossen. Fondsmanager müssen z.T. noch bestimmte gut gelaufene Aktien ins Portfolio aufnehmen oder aufstocken, um beim sogenannten „window dressing“ am Jahresende den Investoren im Rechenschaftsbericht noch zu demonstrieren: „Wir waren dabei!“ Anfang des Jahres kommt es andererseits dann aber zu der Erkenntnis: „Mensch, diese Technologieaktien sind aber ganz schön gelaufen und zu teuer. Es gibt andere günstiger bewertete Alternativen neben Tech“.
Und damit sind wir aktuell bei europäischen Dividendenaktien, die bereits seit Herbst 2023 relativ vernachlässigt wurden und schon seit Monaten Wertaufholungspotenzial entwickelt haben. In unserem eigenen Dividendenfonds sehen wir, dass allen schlechten Konjunkturnachrichten zum Trotz bei mehr als der Hälfte der Fondsaktien nächstes Jahr Dividendenanhebungen angekündigt wurden. Die Dividendenrendite liegt dann über 4,5 % und die Gewinnbewertungen sehen gut aus.
Besonders positiv stimmen uns aber auch noch zwei übergeordnete Entwicklungen:
Deutschland und Europa werden momentan zurecht noch schlecht geredet. Wir erwarten aber sowohl wahl- (Bundestag) als auch geopolitisch (Ukrainekrieg, Trumpregierung) eine Trendwende zum Besseren. Und hiervon profitieren gerade vernachlässigte Nicht-Technologietitel Dividendenfonds noch im Besonderen, weil weiter fallende Notenbankzinsen einfache Geldmarktfonds als Alternative unattraktiver machen werden. Allein hier stehen zurzeit über 20 Milliarden EUR an der Seitenlinie. Genug Stoff für eine schöne Aufholrallye im Dividendensegment 2025.
In diesem Sinne,
Always expect the unexpected!
Ihr Mathias Werner